unter „Trixi und Harry“ finden Sie kurze Unterhaltungen. In diesen Unterhaltungen finden sich immer wieder neue, andere Perspektiven, die ein anderes Nachdenken und Herangehen an alltägliche Situationen möglich erscheinen lassen.

„Heute las ich: ‚Frau grundlos verprügelt’. Unglaublich, oder?“ Trixi schüttelte den Kopf.

„Und seitdem denkst du über Gründe nach, die das Prügeln rechtfertigen?“, lachte Harry. „Da weiß doch bestimmt der Schreiber nicht, was er damit anrichtet!“

„Du meinst“, fragte Trixi, „weil diese Überschrift nahe legt, Prügeln sei in Ordnung, wenn es einen Grund gibt?“

„Genau!“, erwiderte Harry. „Mit unserer Sprache beschreiben wir die Welt, wie wir sie erleben. Diese beschriebene Welt benutzen wir, um uns neue Erfahrungen und Erlebnisse zu erklären und uns in ihr zu bewegen. Und wenn man dabei nicht aufpasst – dann ist Prügeln plötzlich ‚in Ordnung’ und normal, Hauptsache es gibt einen Grund.“

„Na da passe ich ab jetzt aber gut auf, wie ich meine Welt beschreibe“, lachte Trixi.

„Kennst du das auch, da diskutierst du und diskutierst und hast die guten Argumente – und irgendwann sagt dein Gegenüber: ‚Aber trotzdem!’ und du guckst dumm aus der Wäsche?“, wollte Trixi wissen.

„Genau! Manchmal sagt das Gegenüber auch so Sachen wie ‚Das ist doch meine Sache!’ oder ‚Das entscheide ich und nicht du!’ oder ‚Das gehört mir und des-wegen ist es meine Entscheidung!’ und dann stehst du da mit deiner inhaltlichen Diskussion und deinen guten Argumenten!“, grinste Harry. „Dann hast du wohl auf der falschen Ebene diskutiert und nicht gemerkt, worum es eigentlich ging!“

„Was meinst du denn damit?“, wollte Trixi wissen. „Worum ging es denn, wenn nicht darum, dass die besten Argumente entscheiden?“

„Ich glaube, wenn jemand so diskutiert und solche Sätze sagt, dann beschreibt er die Beziehung, die er zu dir hat oder haben will – und er will sich bestimmt nicht inhaltlich mit dir auseinander setzen!“, meinte Harry. „Da wird die Beziehungsebene definiert und nicht gleichberechtigt um die inhaltlich beste Lösung gerungen!“

„Du meinst, mein Gegenüber gibt mir so zu verstehen, dass er mich als Gesprächspartner nicht gleichberechtigt akzeptiert, sondern dass er macht, was er möchte, meine Anregungen und Argumente dann aufgreift, wenn er will und nicht, weil sie gut sind?“, Trixi fragte ein wenig ungläubig. „Aber das wäre doch ziemlich dumm, sich so zu verhalten, finde ich!“

„Finde ich auch – aber das machen diejenigen ja nicht aus Spaß, sondern weil sie das für sich brauchen.“ Harry dachte nach. „Wenn jemand seinem Gegenüber so deutlich machen muss, dass es egal ist, was er sagt, weil es ausschließlich auf ihn ankommt und das unabhängig von allen Inhalten, dann sagt er auch: ‚Ich bin ein schwaches Kerlchen oder Frauchen und brauche alle Wichtigkeit, die ich mir selber besorgen kann, damit ich wenigstens ein wenig das Gefühl habe, wichtig zu sein und dass es auf mich ankommt. Dabei kann ich keine Rücksichten auf Inhalte und Argumente nehmen.“

„Ja und was mache ich dann mit so jemanden?“, fragte Trixi. „Mit dem kann ich doch gar nicht vernünftig sprechen, geschweige denn argumentieren.“

„Stimmt“, sagte Harry. „Dann lass es auch und probier es auch gar nicht erst, sondern kümmere dich um die Beschreibung eurer Beziehung, damit ihr euch da einig seid. Wenn dir jemand sagt, dass ihn deine inhaltlichen Aussagen nicht interessieren, gibt es keinen Grund, dass du inhaltlich diskutierst. Wenn dir jemand sagt, dass es ihm auf dich nicht ankommt, solltest du das hören und damit umgehen, wie du das richtig findest.“

„Ich finde es verletzend, wenn mir jemand deutlich macht, dass es nicht auf mich ankommt!“ Trixi war sich sicher.

„Dann kannst du das deutlich machen und dafür sorgen, dass diese Verletzungen aufhören“, meinte Harry. „Manchmal weiß der andere aber auch nicht, was er da macht, und dann ist es gut, wenn er überhaupt erstmal mitbekommt, wie die Wirkung auf dich ist!“

„Ich verstehe!“grinste Trixi. „Auf in den Kampf!“

„ Da werde ich erwachsen und meinte, meine Familiengeschichten im Griff zu haben – da passiert irgendwas und ich verhalte mich wieder wie das Kind, das ich mal war.“ Trixi schüttelte den Kopf.

Harry schmunzelte: „Klar kenne ich das – das wird jeder kennen!“

„Wie meinst du das?“, fragte Trixi.

„Weißt du“, Harry holte aus, „Wir alle haben in unseren Familien oder wo immer wir aufgewachsen sind in unserer Kindheit eine Menge Strategien und Verhaltensweisen gelernt und entwickelt, die uns geholfen haben, unbefriedigende Situationen irgendwie so zu drehen, dass wir trotzdem zufrieden sein konnten, uns geliebt gefühlt haben, wichtig genommen werden und so. Diese Verhaltensweisen, Strategien und so sind uns normalerweise nicht bewusst. Wir haben uns ja nicht vorgenommen, etwas zu entwickeln, sondern haben das einfach gemacht, weil es nötig war. Und heute nutzen wir viele dieser Verhaltensweisen und Verarbeitungsformen noch immer, aber genauso, wie wir uns fortbewegen – unbewusst und automatisch.“

„Du meinst, dass da eingeschliffene Verhalten und Verarbeitungen wirken, die dann plötzlich eben auch wieder die Erinnerung an früher aktivieren?“, fragte Trixi.

„Genau!“, meinte Harry. „Aber als Erwachsene können wir uns entscheiden, ob wir die Verhaltensweisen und Strategien so wollen oder sie verändern möchten. Das ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich.“

„Das gehe ich mal an!“, sagte Trixi.

„Kennst du das auch? Da arbeitest du, damit du danach Zeit für was Schönes hast – und dann bist du hinterher zu kaputt, um was Schönes zu machen?“, fragte Trixi.

„Kenne ich von früher!“, erwiderte Harry. „Ich habe viele Dinge so organisiert, dass ich zuerst mal verzichtet habe; schöne Dinge nach hinten geschoben habe, um dann später mit richtig Zeit und Lust dann zu geniessen.“

„Ja und dann?“, wollte Trixi wissen.

„Dann,“ schmunzelte Harry, „dann hat sich in den meisten Fällen herausgestellt, dass „aufschieben“ gar nicht geht. Oft ist das, was jetzt gerade ‚dran’ ist, gleich nicht mehr wichtig. Andere Dinge werden wichtiger – und die ganze Anstrengung war umsonst und hat eben nicht dazu geführt, dass ich mit mehr Genuß dann Zeit hatte, meinen Plan umzusetzen.“

„Ist schon komisch, dass wir das so gelernt haben.“ Trixi war nachdenklich. „Da hat man uns beigebracht: ‚Alles zu seiner Zeit’ – und ich habe verstanden: ‚Alles Schöne nach hinten, wenn es nicht mehr stört.’ Verrückt!“

„Richtig schlimm muss es sein, wenn Leute ihr ganzes Leben darauf ausrichten, es sich im Alter gutgehen zu lassen – und wenn sie alt sind, haben sich ihre Möglichkeiten verändert und eingeschränkt.“ Harry schüttelte den Kopf. „Man lebt immer gerade jetzt – und über die Zukunft haben wir nur unsere Ideen.“

Trixi schmunzelte: „Was du jetzt willst, tue es – wenn immer möglich – jetzt! Das wird mein Motto!“

„Ich habe dir doch vor Wochen schon gesagt, dass du … – und du hast es bis heute nicht gemacht!“ „Darüber haben wir doch schon vor Wochen gesprochen… .“ „Schon damals habe ich dir gesagt, … .“

So oder ähnlich klingen die Reklamationen, die man in den verschiedenen Lebensbereichen immer wieder zu hören bekommt. Interessant daran ist – so finde ich – dass selbst der größte Ignorant nicht damit rechnet, dass solche Reklamationen irgend jemanden dazu motivieren werden, etwas zu tun, was er bisher nicht getan hat oder gar sich zu bemühen, demnächst Reklamationen zu vermeiden und deshalb das gewünschte Verhalten (vorsorglichen Gehorsam!) zu zeigen.

Im Gegenteil! Man wird eher mit Reaktionen rechnen müssen wie:
„Geht es dir jetzt schlecht, dass sich schon wieder niemand darum kümmert, was du gesagt hast?“ – „Muss ganz schön einsam sein, wenn man immer schon alles gesagt hat und sich niemand dafür interessiert.“ – „Die Rolle hat bei mir schon mein Vater – und dem kannst du nicht das Wasser reichen!“ – „Schon mein ganzes Leben versucht man ohne Erfolg mir bei zu bringen, dass ich nicht in Ordnung bin. Wie kommst du darauf, dass du dabei Erfolg haben könntest?“ Oder ähnliches.

Was also sollen solche Formulierungen? Was bringen sie für denjenigen, der sie sagt?

Zuerst lässt sich festhalten, dass das Charme-Potential der oben zitierten Formulierungen auch für die absonderliche Frau und den absonderlichen Mann, der sie zu hören bekommt, gegen Null gehen.

Wenn überhaupt gibt es Charme-Potential für den, der diese Sprüche raushaut.

Der kann sich gut fühlen! Er oder sie kann in der vollen Gewissheit auftrumpfen, dass er und sie die Intelligenteren, die Vorausschauenderen, die Überlegteren bzw. die Überle-genderen waren und sind und damals schon Recht hatten …?! Und wenn er oder sie nicht Recht hatten, so haben sie doch jetzt Grund für eine Reklamation. Dann muss es eben ausreichen, wenn der Andere sich falsch fühlt, gemassregelt, gerügt, erwischt – halt schlecht!

Ja – und wenn der Andere meint, dass er selbst entscheidet, was er tut und was er richtig oder falsch findet? Wenn der Andere sich nicht beeindrucken lässt von Sprüchen, sondern Wert darauf legt, dass man ihn überzeugt mit Argumenten, dass er bei der Setzung von Prioritäten mit entscheidet und überzeugt sein will, bevor er etwas tut? Wenn er darauf besteht, dass die Bereiche, die er verantwortet, auch von ihm strukturiert und entschieden werden – und keine Reklamation hieran etwas ändert?

Dann hat sich der Sprücheklopfer ein Ei gelegt, er hat ein Selbsttor geschossen! Seine Autorität hat Schaden genommen, seine Seriösität hat gelitten und es ist wohl ziemlich einsam um ihn oder sie herum.

Der Reklamateur hat sich geoutet als jemand, der nicht mit den Menschen um sich herum zu Übereinkünften kommen will, der nicht auf Konsens ausgerichtet ist, sondern als jemand, der sich und seine Interessen, seine Meinung, seinen Anspruch durchsetzen will und dazu auch auf die zitierten Formulierungen zurück greift. Er wird zu Recht angesehen als jemand, der versucht Andere zu instrumentalisieren, für sich und seine Ziele zu vereinnahmen – und dies, ohne dass ihm oder ihr die Anderen wichtig wären. „Hauptsache, sie tun, was ich ihnen sage!“

Für Lebensbereiche, in denen ein WIR wichtig ist – und das ist neben dem Privatleben auch in vielen beruflichen Situationen so – ist Reklamation kontraproduktiv und demotivierend. Sprücheklopfer haben allenfalls kurzfristig Erfolg, mittel- und langfristig laufen ihnen die guten Leute und die guten Kunden weg.

Eine Reklamation-Hotline schafft keine zufriedenen Kunden, sondern Reklamationen. Ein Reklamateur schafft in seinem Umfeld kein Klima für konstruktive Kooperation, sondern ein Reklamations-Klima.

Erfolgreiche Kommunikation geschieht da, wo ich es schaffe, dass der Andere mich mit dem, was ich sage, versteht und wichtig nimmt. Danach kann man dann mal sehen, was passiert!