unter „Trixi und Harry“ finden Sie kurze Unterhaltungen. In diesen Unterhaltungen finden sich immer wieder neue, andere Perspektiven, die ein anderes Nachdenken und Herangehen an alltägliche Situationen möglich erscheinen lassen.

„Kennst du das: Jemand erklärt, er habe einen Vertrauensvorschuss gegeben und der sei nun aufgebraucht?“, fragte Harry und schaute Trixi an.

„Klar, und dann tut derjenige dann auch noch so, als wenn Andere Schuld wären, die Bösen!“, kicherte Trixi. „Ist schon ganz schön komisch!“

„Ist irgendwie so, als würde es um eine Investition gehen und nicht um Menschen.“, meinte Harry. „Mir kommt das Vertrauensvorschuß-Gerede aggressiv vor. So wie: ‚Jetzt habe ich kein Vertrauen mehr in dich, das hast du jetzt davon!’“

Trixi schmunzelte: „Ist ja so ähnlich wie die Geschichte von dem Kind, dass sich selbst ganz doll weh tut und dann zur Mutter sagt: Siehst du, das hast du jetzt davon!“

Harry nickte: „Dabei ist doch ganz klar, dass ich entscheide, ob ich Vertrauen habe oder nicht. Es gibt viele Menschen, die sind persönlich so schwach, dass sie nur wenig Vertrauen haben können. Andere eher starke Persönlichkeiten können dagegen mit Vertrauen verschwenderisch umgehen. Aber das sagt doch alles nur was aus über den, der solche Sätze sagt und nicht über denjenigen, der den Vertrauensvorschuss nicht eingelöst hat.“

„Du meinst,“ fragte Trixi, „wer mit dem Finger auf jemand anderen zeigt, der hat nicht gesehen, dass er gleich mit drei Finger auf sich zeigt?“

„Genau!“ Harry nickte. „Vertrauen kann nur schenken, wer es hat – und wer sich gut kennt, hat eben mehr davon als Andere!“

„Hast du mal diese Untersuchung gelesen über die unterschiedlichen Formen, die Menschen haben, wenn sie sich die Welt erklären und wie sie darauf reagieren?“, fragte Harry.

„Hast du nicht davon mal erzählt?“, fragte Trixi zurück. „Ich meine, es wäre um Leute gegangen am Rand von einem Erdbebengebiet und im Zentrum der Zerstörung. Aber genauer weiß ich nicht mehr…“

„Das war so,“ Harry holte aus. „Man hat die Reaktion auf das Beben untersucht und dabei gefunden, dass die Menschen, die alles verloren hatten und noch dabei waren, um das nackte Überleben zu kämpfen, glücklich waren, dass sie überlebt hatten. Dagegen haben einzelne Menschen am Rand des Erdbebengebietes sich über Risse in Hausmauern und Schäden an Häusern so aufgeregt, dass sie Herzanfälle bekommen haben.“

„Und was sagt uns das?“, wollte Trixi wissen.

„Das sagt uns, dass es für die Menschen, die am Rande des Erdbebengebietes lebten nicht die normale Form war, sich in die Situation der Menschen hinein zu versetzen, die direkt im Zentrum des Erdbebengebietes das Erdbeben erlebt haben.“ Harry dachte nach. „Wenn die sich in die Situation derer, die gerade noch mit dem Leben davon gekommen waren, hinein versetzt hätten, hätte sich auch der Schaden am eigenen Haus relativiert und wäre dann nicht mehr als so schlimm erlebt worden.“

„Das verstehe ich gut!“, meinte Trixi. „Du meinst, dass wenn man sich in die Situation von denen hineinversetzt, denen es schlechter oder einfach nur anders geht, dann relativiert sich die eigene Situation und man bekommt eine bessere Einschätzung von dem, was einen selber betrifft, aber eben auch von dem, was andere betrifft?“

„Genau! Für viele Menschen ist es nicht so einfach, sich mit anderen Menschen zu identifizieren, die in einer anderen Situation sind.“ Harry engagierte sich. „Es ist offensichtlich leichter, die eigene Situation als die einzige Beschreibung, die Geltung hat, zu nehmen und alles andere dieser Beschreibung der eigenen Situation unter zu ordnen. Leichter auf jeden Fall als sich in die Situation anderer hinein zu versetzen und eine Idee, einen Gedanken und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es den Anderen wohl gehen mag, was ihnen jetzt wohl wichtig ist und was ich von mir erwarte als angemessene Reaktion darauf!“

„Klar, dafür müsstest du dich immer in die Situation desjenigen hinein versetzen, um den es geht. Das Hinein-versetzen ist dann die Basis für deine Beschreibung der Situation. Deine eigene Sicht der Dinge ist eben nicht die einzig richtige Sicht.“ Trixi nickte.

„Und dafür haben wir bei uns eine Menge Bedarf, finde ich.“ Harry schaute Trixi an. „Wenn Menschen, die bei uns sich um Verantwortung für andere beworben haben und dafür gewählt worden sind, sich nicht in die Situation hineinversetzen können oder wollen von Menschen, die sie gewählt haben – oder zumindest dazugehören zum Wahlvolk -, sondern davon sprechen, dass für ein System (Renten, Krankenversicherung, Bildung, oder was auch immer) es wichtig sei, bla bla bla. Oder wenn diese Menschen eine Realität beschreiben, in der 30% der Bevölkerung überhaupt nicht leben und diese für die Realität nehmen, die sie weiter gestalten wollen. Oder wenn diese Menschen sich um die Sicherheit und Stabilität Chinas kümmern und vergessen, sich in die Situation der Tibeter hinein zu versetzen, die nun politisch verfolgt und abgeurteilt worden sind. Oder wenn diese Menschen den Druck auf Generäle in Birma erhöhen, während einige Kilometer weiter Menschen verhungern, verdursten und an Seuchen sterben – und sie völlig vergessen, dass es kein politisches Spiel ist, sondern Menschen sterben, weil sie die Identifikation nicht hinbekommen.“

„Hör auf, hör auf! Ich habe dich ja verstanden!“ Trixi schaute betroffen. „Meinst du wirklich, dass alle diese Menschen sich wirklich nicht in andere hinein versetzen können und nicht mit darunter leiden, was da – und anderswo – passiert?“

„Ich weiß es auch nicht, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass wir es auf allen Ebenen vor allem noch mit Technokraten zu tun haben, die nicht menschliches mitfühlen und sich hinein versetzen, sondern Passungen zu Systemen, Einhaltung von Spielregeln und solche Dinge als Maxime für ihr Handeln haben.“ Harry zuckte die Achseln. „Und da funktionieren dann auch die Mechanismen und die Organisationen dann nicht mehr. Die sind geschaffen worden, damit der Schutz und die Unversehrtheit des Einzelnen auf dieser Erde geschützt wird, damit Wohlergehen sichergestellt wird. Dafür braucht es aber Menschen, die Verantwortung übernehmen und in der Lage sind, sich in die Situation der vielen Menschen hinein zu versetzen und mit zu leiden, wenn es da was zu leiden gibt. Daraus braucht es die Motivation für Veränderung, nicht aus Überlegungen zur Systemkonformität!“

„Das würde heißen, dass an Menschen, die Verantwortung für andere übernehmen wollen, auch höhere Ansprüche gestellt werden müssen in Bezug auf Mitmenschlichkeit, auf mitfühlen, sich identifizieren können, auf Gefühlsreichtum, auf Bewusstheit über sich selbst.“ Trixi schaute Harry fragend an.

„Das wäre doch schon mal ein Anfang, wenn der Stadtrat und die Stadträtin, der Bürgermeister, die Bürgermeisterin, der Landrat und die Landrätin, die Mitglieder in den einzelnen Parlamenten und Regierungen von ihren Wählern danach bewertet würden, was sie für Menschen sind und wie ihre Persönlichkeit, ihre menschlichen Qualitäten ausgebildet sind – und nicht, wie sie sich durchsetzen, wie sie Reden schwingen können, wie sie Machtspiele können. Ich jedenfalls möchte Verantwortung für mich nur an jemanden delegieren, dem ich zutraue, dass er oder sie meine Situation verstehen und nach empfinden kann – und das auch will – und der dann eine angemessene Reaktion sucht und findet. Dabei kann er oder sie sich dann noch vertun, aber er hat wenigstens auf die richtige Weise gesucht.“

„In den letzten Wochen höre ich immer wieder Variationen von: es ist wichtig zu sagen, was ist! Was mag daran wohl wichtig sein?“, fragte Harry.

Trixi schmunzelte: „Das ist doch ganz einfach; wenn du nicht sagst, wie du was erlebst, was dir wichtig ist oder was du richtig findest, kann deine Umgebung nicht adäquat auf dich reagieren und mit dir umgehen.“

„Klar – und dann kommen die Experten, die Politiker, ein Arbeitskollege oder was weiß ich wer und erzählen, wie mein Leben ist, was mir wichtig ist und was nicht und was ich brauche und richtig finde und was nicht und was ich tun muss!“, meinte Harry. „Manchmal denke ich, dass viele von denen wirklich keine Ahnung haben, wie mein Leben eigentlich ist.“

„Verstehe, was du meinst,“ erwiderte Trixi. „Aber darum geht es ja auch nicht. Es geht doch darum, dass jeder seine Interessen durchsetzen möchte und dafür braucht es dann die Begründungen.“

„Du meinst, dass derjenige, der sagt wie was ist auch bestimmt, was dann das adäquate Verhalten ist und wie das aussieht?“ Harry schaute Trixi fragend an.

„Genau!“ erwiderte Trixi. „Und deswegen ist es so wichtig, dass jeder von uns seiner Umgebung sagt, was mit ihm ist, wie es ihm geht und wie er die Situationen im seinem Leben erlebt. So übernimmt jeder selber die Beschreibung und bleibt so kompetent für sich und was für ihn richtig ist.“

Harry nickte: „Das ist der erste Schritt, auf sich zu achten!“

„Kennst du das auch, dass du ein Ziel oder eine Aufgabe hast und du machst und tust und es klappt einfach nicht?“, fragte Trixi.

„Ja, kenne ich!“, antwortete Harry. „Manches Mal bin ich mir dabei auch schon ganz schön blöd vorgekommen.“

„Woran lag es denn?“ Trixi war neugierig.

„Ich habe über so einen Mechanismus gelesen,“ berichtete Harry. „Danach gibt es viele Leute, die auf eine bestimmte Art und Weise versuchen, ein Ziel zu erreichen oder eine Aufgabe zu erledigen. Und die Art und Weise taugt einfach nicht dafür. Für ein anderes Ziel und eine andere Aufgabe wäre sie richtig, aber eben nicht für die, die jetzt anstehen. Und anstatt, dass sie dann die Art und Weise ändern, in der sie sich bemühen, bleiben sie bei genau der Art und Weise und machen alles genau so, nur noch intensiver und bemühter.“

„Und bei dir war das so?“, Trixi wollte es wissen.

„Genau! Als ich merkte, das wird so nichts, habe ich keinen Schritt zurück getan, um zu gucken, woran es liegen könnte, dass meine Aktionen nicht das gewünschte Ergebnis bringen,“ berichte-te Harry. „Stattdessen habe ich mit noch mehr Engagement und Intensität – und dann irgendwann auch mit Ärger und Wut – immer das Gleiche gemacht. Wie ein Fanatiker. Im Nachhinein bin ich mir ziemlich blöde vorgekommen!“

„Verstehe ich,“ meinte Trixi. „Die Art und Weise muss zur Aufgabe und zum Ziel passen, sonst wird das nichts!“

„Was fällt dir eigentlich ein zu der Diskussion um Wortbruch und Lüge, Betrug und all das, was jetzt dauernd durch die Presse geht?“, fragte Trixi.

„Ich muss öfter als sonst schmunzeln.“, antwortete Harry. „Man könnte nach dem Gips rufen, um das Wort einzugipsen und dann musst du einige Wochen warten – und es wächst wieder zusammen! Dann machst du den Gips ab und – alles wieder ganz!“

„Nein, jetzt mal im Ernst“, meinte Trixi. „Ist das nicht ein seltsames Bild, was da bemüht wird?“

„Ich finde auch. Das klingt nach Gewalt, nach kaputt – und legt zumindest nahe, dass da was Schlimmes passiert.“ Harry dachte nach: „Aber wie ist es denn im privaten Bereich? Du sagst: Ich werde nie zu spät kommen – und eines Tages kommst du in eine Situation, wo was Wichtiges passiert, so dass für dich das ‚zu spät kommen’ das kleinere Übel ist – also kommst du zu spät. Hast dein Wort gebrochen – aber es war richtig, das zu tun.“

„Du meinst also, dass es richtig sein kann, sich nicht an seine eigenen Ansagen zu halten, weil was anderes Wichtiger geworden ist?“, Trixi wollte es genau wissen.

„Genau“, meinte Harry. „Ich glaube absolute Aussagen können nur am Leben scheitern. Ich werde dich ewig lieben; immer an Dich denken; dich nie verletzen … – alles Quatsch!“

„Du meinst, dass ich immer das tun muss, was ich richtig finde, auch wenn ich vorher gedacht habe, es könnte mich nichts dazu bringen, dass ich nicht zu meiner einmal gesagten Aussage bleibe?“, fragte Trixi.

„Stimmt!“ Harry nickte: „Sonst bist du irgendwann weggekommen, aber der Rest von dir hält sich an alles, was du jemals gesagt hast – und das wird niemand ernsthaft wollen!“