Ja, das ist so eine Sache mit den Forderungen an sich selbst und den Anforderungen von anderen…

 – Komm! Ich erzähl Dir eine Geschichte:

Diese Geschichte habe ich von einem Freund, der mir erzählte, dass eine Freundin ihm berichtet habe, sie habe eines Tages einen Traum gehabt. Und der ging so:

In einer anderen Zeit und in einem anderen Land begab es sich, dass einmal im Jahr alle Menschen ganz hektisch werden. In den Familien hat dabei jeder seine Art, hektisch zu sein: Die Kinder sind aufgeregt und machen sich Gedanken, ob ihr Geschenk dieses Jahr größer, besser und schöner sein wird, als im letzten Jahr.
Die Väter kümmern sich um den Tannenbaum und – manches Mal, wenn es besonders gut läuft – schmücken sie ihn auch noch. Ansonsten ziehen sie sich nach Möglichkeit zurück und versuchen der Atmosphäre zu entkommen.
Die Mütter kaufen Geschenke und Nahrungsmittel ein, putzen die Wohnungen und Häuser und hängen kleine Männer in roten Kapuzenmänteln an die Hauswände, die Regenrinnen oder aufs Dach, kochten das Essen und packten die Geschenke ein.
Nun war es dort nicht selten so, dass die Mütter keine ruhige Minute hatten und dachten: Wieso muss ich das alles alleine organisieren und bin alleine dafür zuständig, dass alles gut gemacht ist und sich dann, wenn die Bescherung ist, alle wohl fühlen und sich freuen, damit für einige Stunden kein Ärger, keine Probleme und keine Diskussionen aufkommen?
Und dann hörten sie eine imaginäre Männerstimme, die sagt: Liebe Mutter! Wer außer dir könnte diese ganzen Aufgaben in dieser kurzen Zeit lösen und dabei noch so gut gelaunt sein? Stell Dir vor, dein Partner versucht dies – oder deine Kinder! … Du siehst, wenn du ein schönes Fest haben möchtest, gibt es niemanden sonst, der das alles bewerkstelligen könnte! Nimm die Anforderungen an dich als unser Geschenk an, das Geschenk deiner Lieben an dich, mit dem sie dir sagen: Dir trauen wir zu, dass du das alles hin bekommst. Dass du uns so gut kennst, dass du alle ausgesprochenen und unausgesprochenen Forderungen und Wünsche berücksichtigst und erfüllst. Dass du uns verwöhnst und wir es nicht einmal merken, welchen Stress du mit den ganzen Arbeiten hast. Und wenn einmal nicht alles zu unserer Zufriedenheit ist, können wir dich ja immer noch anmeckern und beschimpfen!

Eines Tages trafen sich in dieser anderen Zeit und in diesem anderen Land zwei Frauen beim Einkaufen und die eine berichtete, dass sie gerade vorher diese imaginäre Männerstimme gehört habe. Die andere schüttelte nachdenklich den Kopf und sagte: Wenn ich alle Anforderungen und Wünsche von anderen als Geschenk und Kompliment an mich verstehen soll, dann will ich aber auch entscheiden, welches Geschenk und Kompliment ich annehme und welches nicht. Ich sage dieser imaginären Stimme: „Ich danke dir für dieses Kompliment und Geschenk. Damit ich es würdigen kann und mich daran erfreuen kann, brauche ich es, dass ich nicht immer alle Komplimente und Geschenke, die an mich gerichtet sind, annehme. Ich will eine Auswahl treffen von Forderungen und Geschenken, die ich erfüllen will. Diese Auswahl erst versetzt mich in die Lage, jede Anforderung und jedes Geschenk so anzusehen und sie zu würdigen und zu schätzen. Auch wenn das bedeutet, dass ich nicht jeder Anforderung und jedem Geschenk nachkomme.“

Da erwachte die Freundin und dachte: Wenn ich auf diese Art Anforderungen ansehe und mit ihnen umgehe, dann wird mir das gut tun. Und sie kuschelte sich noch einen Moment zufrieden in die Kissen.