„Hast du schon davon gehört, dass Eltern damit konfrontiert sind, dass ihre Kinder in einer völlig anderen Welt zu leben scheinen als sie selbst?“, fragte Harry.

„Ja, habe ich“, antwortete Trixi. „Und dabei geht es nicht nur um Kinder, die krank sind und wo es sich durch das Krankheitsbild erklärt. Bei Anderen sind es Phasen, die für das Erwachsen-werden wichtig sind.“

„ Diese Kinder leben in einer eigenen Welt und meinen, dass es für alle nur ihre Welt gäbe. Und die Eltern und Angehörigen sind oft komplett ratlos, wie sie damit umgehen sollen. Das kann ganz drastische Ausmaße annehmen!“, berichtete Harry.

„Was können die Eltern dann tun?“, wollte Trixi wissen.

„Wichtig ist, dass die Eltern und Angehörigen sich selbst Unterstützung organisieren, damit sie den Druck möglichst schnell loswerden können, der ja jeden Moment entstehen kann.“ Harry dachte nach. „Sie müssen möglichst direkt darüber sprechen können, was ihnen da passiert und jemanden haben, zu dem sie hinkönnen mit ihrer Angst und ihrer Ratlosigkeit. Es ist nicht einfach, Kinder zu unterstützen, wenn da zwei Welten aufeinander prallen! Und wenn es eine starke Belastung ist, dann ist sicher auch richtig mit einem Arzt darüber zu sprechen. Das Wenigste ist, dass es beruhigt. Und selbst das ist schon gut!“

„Es gibt eine Menge Druck in den Familien, der nicht öffentlich ist. Den Betroffenen kann man nur viel Kraft wünschen“, meinte Trixi.

bekommt in Bochum eine völlig neue Bedeutung“, meinte Harry.

„Du meinst, weil Nokia den Mitarbeitern vorgeschlagen hat, dass sie bei Nokia in Rumänien arbeiten können?“, fragte Trixi.

„Genau!- aber jetzt mal im Ernst: Es gibt doch fast nichts mehr, was sicher ist und worauf man sich verlassen und einstellen kann. Das wird doch immer schlimmer!“, meinte Harry.

„Stimmt“, sagte Trixi. „Überleg mal, Du arbeitest, hast Weihnachten gefeiert, Planungen mit der Familie gemacht, vielleicht den Urlaub für das nächste Jahr gebucht – und dann sagen sie dir, dass du in nicht mal 6 Monaten keine Arbeit mehr hast. Und nicht, weil du dir was zu Schulden hast kommen lassen – Du warst fleißig, zuverlässig und engagiert – sondern, weil die Bedingungen für das Unternehmen irgendwo anders besser sind. Das ist dann Ohnmacht pur!“

„Damit mußt du dann erstmal umgehen – und deine Familie auch“, erwiderte Harry. „Hast du eine Idee, was Du machen würdest in so einer Situation?“

Trixi dachte nach. „Zuerst würde ich nach jedem Strohhalm greifen. Vielleicht gibt es noch eine Veränderung in der Entscheidung, irgendwelche Hilfen oder so – obwohl ich das nicht wirklich glaube. Und dann wäre ich wütend! Wütend, weil ich mich so unwichtig fühlen würde. Dann würde ich versuchen, Arbeit zu finden – wohl wissend, dass das ein Glücksfall wäre. Und dann würde ich mich mit anderen in der gleichen Situation zusammen tun und versuchen, gemeinsam Möglichkeiten zu finden, mit dieser Situation umzugehen. Vielleicht werden ja bald Experten gesucht für den Umgang mit Unsicherheit in Lebenssituationen.“

„Das finde ich in dem ganzen Mist noch eine gute Idee!“ rief Harry. „Unsicherheiten und unsichere Lebenssituationen werden immer mehr Menschen treffen auf die eine oder andere Weise – und dann wird damit umgehen können zu einer wichtigen Kompetenz.“

sagte Trixi. „Was soll das denn heißen?“ wollte Harry wissen. „Ist doch eigentlich ganz eindeutig, was es mit JA und NEIN auf sich hat. Wo sollen denn da Schwierigkeiten herkommen?“

 

Typisch Frau! dachte ich und schlürfte meinen Kaffee. Aber bisher hatte ich von der Unterhaltung der Beiden immer was gelernt, also hörte ich weiter zu.

 

„Ja, weißt Du“, erzählte Trixi, „es gibt ganz viele Situationen, in denen ich aber auch auf jede Anforderung von außen sofort mit JA reagiere. Als wenn es bei mir ein eingebauter Impuls wäre: Anforderung – jawohl, erfülle ich!“ „Du meinst, ohne dass Du vorher überlegt hast, ob Du das auch willst oder nicht?“, Harry wollte es genauer wissen.

 

„Genau! Als ob es diese Frage gar nicht geben würde. – Zumindest bei mir nicht!“ Trixi war echt unzufrieden. „Und dann, wenn ich auf alles JA gesagt habe, sitze ich da mit meinen vielen Verpflichtungen und merke, sie tun mir nicht gut, ich wollte das eigentlich gar nicht, fühle mich überfordert. – Aber dann ist es ja zu spät!“ „Zu spät?“, fragte Harry. „Zu spät – wofür?“

 

„Zu spät, NEIN zu sagen!“, resignierte Trixi. „Eigentlich müsste ich dann Diejenigen anrufen, denen ich ein ‚falsches’ JA gesagt habe und sagen: Das habe ich nicht zusagen wollen und deswegen …. – aber das geht doch nicht. Schließlich verlassen die sich auf mich und ich hab schließlich JA gesagt.“

 

„Und was meinst Du, was passiert, wenn Du anrufst und sagen würdest: Sorry, ich hab Dir zwar etwas zugesagt, aber es tut mir nicht gut und ich will diese Zusage auch gar nicht erfüllen. Sei mir bitte nicht böse, aber ich lerne gerade viel darüber, auf mich aufzupassen und dafür zu sorgen, dass es mir gut geht. Ich hoffe, Du verstehst das und findest eine andere Lösung für das, worum Du mich gebeten hast. Na – was meinst Du?“

 

Trixi dachte nach und ihre ernste Miene wurde immer fröhlicher: “Wenn die das nicht verstehen, will ich denen bestimmt keinen Gefallen tun!“

 

Und nach einer kurzen Pause meinte Trixi noch: „ Du meinst, ich kann so sein, wie ich bin? Und wenn ich etwas tue, was mir nicht gut tut, dann kann ich das korrigieren, auch wenn ich etwas Zeit brauche, bevor ich das merke? – Au Mann, das wäre ja vielleicht eine Entlastung. Da wird alles gleich viel leichter!“

 

Na klar, dachte ich. Die meisten Entscheidungen kann man korrigieren. Vielleicht gehört noch eine Entschuldigung für die zusätzliche Mühe, die Andere jetzt durch die Korrektur haben, dazu.  Wichtig ist, dass alle Seiten sich wieder miteinander gut fühlen und Verpflichtungen, die ungewollt sind, das Verhältnis nicht stören.

 

An Entscheidungen festhalten, die nicht gut tun, macht das gute Gefühl für sich und Andere kaputt. Sich dann korrigieren bringt gute Gefühle in das Leben mit sich und Anderen zurück. 

wo`s lang geht!“ – kennst du den Spruch noch?“, fragte Trixi.

„Klar, Frauenbewegung – damals haben Frauen das Thema ‚Angst’ als Erste gesprächsfähig gemacht“, antwortete Harry. „Warum fragst du?“

„Ich finde“, berichtete Trixi, „dass das ganz schön hart klingt, wenn jemand sagt: Da mußt du lang gehen – und gleichzeitig hast du davor aber Angst! Klingt hart – und irgendwie auch rücksichtslos!“

„Versteh’ ich gut, was du sagst“, erwiderte Harry. „Es gibt ja viele Formen, wie man seiner Angst nachgehen kann. Man kann das ganz kraftvoll tun, weil man glaubt, die Kraft zu brauchen, um sich und seine Angst zu überwinden – sozusagen mit Anlauf. Man kann das achtsam tun, sich Zeit nehmen dafür und behutsam einen Schritt vor den anderen tun. Andere tun es ängstlich und sind sich dessen bewußt, aber sie tun es!“

„Also ich höre eher eine Aufforderung mit Anlauf und ohne Rücksicht auf Verluste sich seinen Ängsten zu stellen. Finde ich nicht gut!“ Trixi schüttelte den Kopf.

„Ich bin auch eher ein Fan davon, behutsam – und ja ruhig auch ängstlich – nach seinen Ängsten zu sehen, aber sich eben auch von seiner Angst nicht davon abhalten zu lassen!“, meinte Harry. „Sich seiner Angst zu stellen braucht eine sichere Umgebung, einfühlsame Freundinnen und Freunde und Platz für weiche, zarte und zaghafte Gefühle.“

„Kraftakte eignen sich da einfach nicht!“, nickte Trixi.

 

Neulich in meinem Lieblingscafé hörte  ich dem Paar am Nachbartisch wieder mal zu. Ich mache das gerne, wenn ich in Ruhe meinen Kaffee trinke, vielleicht etwas lese und meine Aufmerksamkeit dann zu anderen Besuchern des Cafés wandert.

Die Beiden am Nebentisch hatte ich schon öfter hier gesehen. Ich wusste, dass sie Harry und Trixi hießen und wohl alte Freunde waren. Sie hatten ihre eigene Art sich zu unterhalten.

„Nur Murks, was ich heute erlebe“, hörte ich Harry sagen. „Das fing schon gut an, als ich aufstehen musste. Ich quäle mich aus dem Bett, schmeiß die Kaffeemaschine an – der Kaffee lauwarm. Die Maschine muss kaputt sein. Dann such ich mein Sakko für heute Vormittag – in der Reinigung.  Beim Rausgehen, hau ich mir die Tür vor das Bein, und draußen gibt es genau den einzigen Regenschauer des heutigen Tages, als ich zum Auto muss. Klatsch nass war ich, bevor ich im Auto saß.“

Selbst von meinem Platz aus konnte ich das spöttische Grinsen in Trixis Gesicht nicht übersehen. „Du Armer“, sagte sie und grinste über das ganze Gesicht. „Da hat dieser Tag Dir aber wieder mal so richtig unrecht getan. Wieso ist der so gegen Dich, dass er  Dich so ärgert?“

Harry schien irritiert. „Wie? – Der Tag ist gegen mich? Wie soll das denn gehen? – Nein, heute geht nur einfach alles schief, was ich anpacke. Ich wäre besser im Bett geblieben, dann wäre das alles nicht passiert!“

„Du meinst, dass es davon abhängt, wie Du die Dinge anpackst, ob sie Dir gelingen oder nicht – also auch ob Du schlechte Laune hast oder gute Laune???“, fragte Trixi schmunzelnd.

Jetzt war Harry endgültig durch den Wind. Völlig verdutzt und wie in Trance schaute er durch das Café.

„Du meinst, ich mach mir selber das Leben schwer?“, fragte er nach einer Weile und sah Trixi nachdenklich an.

„Tja, mein Lieber. Du kennst doch sicher den Spruch: Wie Du in den Wald hinein rufst, so schallt es auch heraus!“, setzte Trixi, zufrieden mit sich und der Welt, noch einen drauf.

Na klar, dachte ich. Die Kaffeemaschine, das Sakko, die Türe und der Regen haben Harry sicher nicht geärgert. Geärgert hat er sich selber und „Gründe“ finden sich immer.

Ich habe was gelernt heute Morgen im Café: Wenn ich mich richtig gut und erfolgreich ärgern will, dann kriege ich das auch hin. Will ich mich nicht ärgern, dann gilt – 

Schau freundlich und entspannt in die Welt!

Sie schaut genauso zurück!